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Sonntag, 6. April 2003

»Ich bin Übersetzer und nicht Promi«

Interview mit Harry Rowohlt über Lesen und Lindenstraße

Harry Rowohlts Marathon-Lesungen sind legendär, und nicht selten gelingt es ihm, ganze Stadthallen zu füllen. Rowohlt ist eigentlich Übersetzer (»Pu der Bär«, »Die Asche meiner Mutter«), doch schreibt er auch die Kolumne »Pooh's Corner« für die ZEIT. Außerdem spielt Rowohlt einen Penner in der Fernsehserie Lindenstraße.
Mit Harry Rowohlt sprach Wolfgang Tischer.

Literatur-Café: Auf die erste Frage wird die Antwort zwar eindeutig »Ja« lauten, aber ich stelle sie dennoch: Lesen Sie gerne vor?

Rowohlt: Ja. Mir wurde auch schon vorgelesen. Als ich drei Jahre alt war, hat mir meine Mutter »Pu der Bär« vorgelesen. Vorlesen war bei uns was ganz Natürliches.

Literatur-Café: Was ist Ihnen das liebste Publikum, wenn Sie vorlesen?

Rowohlt: Ich weiß nicht, mein Publikum ist eigentlich immer gut. Ich mache das jetzt seit etwa zehneinhalb Jahren und die Plinker-Elsen habe ich in den ersten zwei, drei Jahren vergrault, also die alten Klaften, die immer in Dichterlesungen gehen. Praktisch das ungebildete Bildungsbürgertum.

Literatur-Café: Wie haben Sie das geschafft?

Rowohlt: Zum Beispiel war ich mal das kulturelle Rahmenprogramm der Kieler Woche, und nach fünf Minuten erhoben sich vier alte Klaften in der ersten Reihe und gingen mit der Aussage »Das ist ja erschreckend niveaulos!« weg. Was sie aber nicht ahnen konnten, war, dass sie zu den Klängen eines Klatschmarsches durch den Mittelgang weggehen würden, denn dann hätten sie es sicher gelassen. So wie früher, bei Demonstrationen, wenn die Polizei kam, da riefen wir »Links zwo drei vier!« Das hat das Publikum auch gemacht. Also von der Art ist mein Publikum normalerweise.

Literatur-Café: Was ist das Schlimmste was Ihnen auf einer Lesung passiert ist?

Rowohlt: Das war in Leverkusen, zum Beginn des Semesters in der Volkshochschule. Da war meine Lesung am Tag der offenen Tür, was ich vorher nicht gewusst hatte. Da kamen dann immer Leute rein, kamen zu mir, während ich mich da zum Affen machte und sagten »Lassen Sie sich nicht stören, wir gehen gleich wieder«. Es war ein ständiges Kommen und Gehen, und das war überhaupt nicht schön.
Und außerdem war da noch eine ziemlich grauenvolle irische Kapelle aus Leverkusen. Die hatten ihre Kinder, ihre Kleinkinder mitgebracht, die sich gegenseitig während der Lesung die Köppe einschlugen, wogegen ich nichts gehabt hätte, wenn es nicht während meiner Lesung passiert wäre.

Literatur-Café: …oder wenn es danach still gewesen wäre.

Rowohlt: Ja, genau. Das war so ziemlich die Hölle.

Literatur-Café: Als was würden Sie sich eigentlich bezeichnen? Als Schriftsteller, Vorleser, Schauspieler oder…

Rowohlt: Ich kriege in den letzten Jahren jedes Jahr ‘nen neuen Beruf dazu.

Literatur-Café: Zu einem Beruf habe ich eine spezielle Frage: Wie sind Sie eigentlich an Ihre Rolle in der Fernsehserie »Lindenstraße« gekommen?

Rowohlt: Das ist eine lange Geschichte. Wollen Sie die wirklich hören?

Literatur-Café: Vielleicht die Kurzfassung. Schließlich muss ja alles abgetippt werden.

Rowohlt: Tja, dann … dann die nächste Frage.

Literatur-Café: Interessieren würde es mich aber schon…

Rowohlt: Es hat mich ein Mensch vom Magazin »essen & trinken« angerufen und hat gesagt, sie machen Folgendes jeden Monat mit einem Prominenten: Die dürfen sich irgendwo in Europa ein Restaurant aussuchen, und dann führe man da hin und da können die sich voll fressen und breit saufen und werden dazu interviewt und fotografiert.
Und da habe ich gesagt, er soll mich am Arsch lecken, ich kann mir mein Essen selber bezahlen. Ich bin von Beruf Übersetzer und nicht Promi.
Meine Frau hat gesagt: »Du hättest das Akropolis in der Lindenstraße als Restaurant innerhalb Europas angeben sollen. Das hätten die nicht geschafft, und es hätte höflicher geklungen«. Da habe ich nochmal angerufen und habe gesagt: »Jetzt ist mir doch noch ein Restaurant innerhalb Europas eingefallen, nämlich das Akropolis in der Lindenstraße«, und da hat er gesagt »Ui, das wird schwer werden!«, und drei Tage später hat er angerufen und gesagt: »Das Lindenstraßen-Team freut sich auf unseren Besuch!«
Wir sind dort sehr schön herumgeführt worden, haben jeder 100 Mark für Komparserie-Arbeiten bekommen. Man sieht uns einmal beide von hinten, wie wir zügig rechts einbiegen von außen und einmal tatsächlich im Akropolis.
Und danach hat Frau von Wissotzky, die Pressetante der Lindenstraße, zu mir gesagt »Einen schönen Gruß von Herrn Geißendörfer und den beiden Drehbuchautorinnen. Alle drei sind begeisterte Leser Ihrer Kolumne ›Pooh’s Corner‹ in der ZEIT und wenn Sie Lust haben, dann schreiben sie Ihnen ‘ne kleine Rolle rein«. Da habe ich gesagt »Dann aber bitte nur einen Penner, denn das ist bisher die einzige Randgruppe, die etwas stiefmütterlich behandelt wurde. Und jetzt bin ich dabeigeblieben.

Literatur-Café: Waren Sie den vorher Lindenstaße-Fan?

Rowohlt: Ja. Sonst wäre mir ja auch nicht dieses Restaurant innerhalb Europas eingefallen.

Literatur-Café: Es geht das Gerücht, dass Sie zu Ihrer eigenen Lesung einmal nicht ‘reingelassen wurden.

Rowohlt: Dreimal hintereinander.

Literatur-Café: Musste die Lesung dann abgesagt werden?

Rowohlt: Nein, ich habe zu den Ordnern gesagt, sie sollen den Veranstalter holen, damit der mich hier da ‘reinschleust.

Literatur-Café: Herr Rowohlt, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

via literaturcafe

hier gibt´s noch ein interview mit dem Herrn Rowohlt.

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STEPHEN MALKMUS & THE JICKS "Us"

"Pig Lib" (Domino / Zomba)

"Stephen, die alte Gurke muss keine Sensationen mehr produzieren" schrieb Stephan Glietsch in SPEX 03/2003 über "Pig Lib", das zweite Solo-Album von Stephen Malkmus und führte weiter aus, das dem ex-Pavement-Vorstand die kleine Mär von der Macht des bescheidenen Songs genüge. Das lässt alle Türen offen. Und wie Malkmus in "Us" richtig sagt, gäbe es noch viele andere Orte, an die er gehen könnte. Es regiert jedoch der freie Wille. Und da muss schließlich gar nichts, aber vieles kann.

malkmus
via SPEX

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